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Reise-Meise

  • Writer: Ray
    Ray
  • Jun 19, 2024
  • 4 min read

Updated: Jun 20, 2024

Reise-Meise


Wenn Menschen erfahren, dass ich/wir auf ‘Weltreise’ sind, dann gibt es meistens ein großes Staunen. ‘Das ist ja mega cool! Wo ward ihr schon überall?’ Ist meist eine der ersten Fragen. Oder: ‘Was war das bisher schönste Ziel?’ - eine andere. Das sind natürlich Fragen, die ich Menschen vermutlich auch fragen würde.

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Wonach aber Niemand je fragt ist die gesamte Zeit zwischen den Zielen. Die Zeit, in der ich wartend in einer vollen, lauten und trubeligen Busabfahrtshalle rumhänge. Wilde Yoga-Posen übend am Flughafen-Boden vollziehe, während sich überall Menschen stapeln, die mich gelangweilt, anerkennend oder abwertend mustern.

Die Zeit, in welcher ich verzweifelt versuche den Verkäufer*innen die nur spanisch sprechen zu verklickern wann ich wohin fahren möchte, um ein Ticket zu kaufen. Die unzähligen Stunden, die ich in einem klapprigen Taxi durch irgendeine südamerikanische (Klein-)stadt gurke, um zu meinem Hostel zu kommen. (Meine kläglichen Versuche mich anzuschnallen, habe ich meist aufgegeben, nachdem mir die Taxi-Fahrer*innen mit einem Augenzwinkern versichert haben, dass ich das nicht brauche, daraufhin aber wie gesenkte Säue über die heftigsten Schlaglöcher gerackelt sind). Die 1 Millionen Augenblicke, die ich auf dem Moped verbracht habe, um von A nach B zu kommen.

Klar. Ist grundsätzlich wohl eher das, was Menschen als ‘weniger spannend’ einordnen würden. Aber was es tatsächlich für einen riesigen Teil des ‘weltreisens’ ausmacht (das sagt ja schon der Name an sich aus), stellen sich wohl die Wenigsten vor. Und was das mit einem Rattenschwanz an Winzigkeiten mit sich bringt, an die es doch noch zu denken, die es doch noch zu erledigen gibt, da hört es dann völlig auf.

Es ist nicht nur eine Sache abzuhaken bei einer Reise, sondern es ergibt sich immer oben genannter endlos langer Rattenschwanz.

Theoretisch müsste ich eine Check-Liste bei mir tragen, um immer alles auf dem Schirm zu haben. Nächstes Ziel muss geplant werden. Ticket für die (nächste) Reise muss recherchiert werden. Günstigstes und best gelegenstes Ticket muss gebucht werden. Für die Reise muss im Falle eines Fluges eingecheckt werden. Brauchen wir ein Visum? Was brauchen wir dafür noch? Können wir das Ticket nur am Schalter kaufen? Man kann nur bar zahlen? Müssen wir dafür noch Geld tauschen/abheben?

Ist der Reisepass griffparat?

Am Flughafen angekommen zuerst durch die Passkontrolle, was sich gerne mal durch mehrere abgezäunte Schlangenlinien gefühlt dreimal um die eigene Achse drehend ziehen kann. Hätte ich ausgeprägten Bartwuchs, wäre mir spätestens hier der erste Meter gewachsen. Endlich an der Reihe schaue ich mehr als einmal in sehr unglaubwürdige, verwirrte Augen. ‘Ist dies ihr Vorname?’ Fragt die mir gegenüber sitzende Person mit runzelnder Stirn auf meinen Nachnamen zeigend. ‘Nein, das ist mein Nachname’, entgegne ich freundlich motivierend. ‘Welches ist der Name ihrer Mutter?’ Noch mehr Verwirrung scheint sich breit zu machen. Nun bin ich auch verwirrt und zeige verunsichert auf einen der beiden und verdamme mich selbst dafür bei meiner Eheschließung einen verdammten (komplizierten) Doppelnamen gewählt zu haben. ‘Ok, also ist das der Name ihres Vaters?’ Erwartungsvolle Augen schauen mich nun sehr überzeugt an. ‘Nein, das ist der Name von meiner Frau’ sage ich und zeige auf May, die zwei Schalter weiter in die Mangel genommen wird. Jetzt habe ich die Person, die die Macht der Einreise-Stempel besitzt völlig aus dem Konzept gebracht. Aufgeregt springt sie auf und holt sich Hilfe. Ich stehe nun einigermaßen verzweifelt da, kann weder aus- noch einreisen und sehe die nächste Stunde dahinfließen. (Nun wäre mindestens ein zweiter Meter Bart dran!) Nach einem wilden Schlagabtausch auf spanisch und dem Beruhigen von Person 2, bekomme auch ich endlich meinen Stempel und darf mich zu Hürde Nummer 80 diesen Tages durchschlagen.

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Gepäckkontrolle. Ich weiß nicht wer es für eine gute Idee gehalten hat 1.ein Miniatur Schweizer Taschenmesser bestehend aus einer kleinen Karte mit mehreren Öffnungen zu erfinden und 2. mir den Rat zu geben es gut auf Reisen gebrauchen zu können.

Beinahe jedes Mal wurde dieses winzige Teil aus den Urtiefen meines Rucksackes gefischt - wobei vorher natürlich mein gesamter Rucksack-Inhalt auf den Grabbel-Tischen am Flughafen ausgebreitet wurde. Um dann ein Messer im Miniatur-Format raus zu puhlen mir hinzuhalten und festzustellen ‘Damit können wir Sie leider nicht fliegen lassen’.

Bis es mir an einer der unzähligen Kontrollen schließlich völlig entzogen wurde. Es war dann nur leider fast entleert. Eine mickrige Pinzette befand sich noch drin, von der anscheinend eine enorme Gefahr ausging. Fun fact ist, dass May kein einziges Mal angehalten wurde, obgleich sie genau das gleiche Teil von Beginn an mit sich führt. Was habe ich an mir, dass ich nicht fähig scheine mich eines Schweizer Taschenkärtchens ausreichend zu bedienen?

In einem neuen Land angekommen entwickelt sich mit der Zeit so etwas wie eine Routine. Die ist, wie sollte es anders sein, ein sisyphosartiger Rattenschwanz an abzuarbeitenden Punkten.

Vom Flughafen zur Unterkunft zu gelangen ist die erste Hürde. Diese Hürde wirft die Hürde auf Internet zu haben. Diese Hürde wirft die Hürde auf funktionierendes Wlan zu haben. Diese Hürde wirft die Hürde auf Akku zu haben. Diese Hürde wirft die Hürde auf eine Powerbank zu haben, die wiederum Akku hat. Dies wiederum….., na?

Habt ihr noch Lust?

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Klar. Es ist manchmal verdammt schwierig die Energie aufrecht und die Laune positiv zu halten. Aber es gäbe vermutlich kein*e Reisende*n auf dieser Erde, wenn es das nicht wert wäre. In den erschöpfendsten Momenten ins Uber, Bahn oder Bus fallen. Vielleicht schweiß- vielleicht sogar tränenüberströmt. Vielleicht auch mal ganz happy weil wider Erwarten alles easy peasy geklappt hat.

In den allermeisten Fällen sind es so unendlich liebe Menschen mit den besten Tipps, den strahlendsten Lächeln, den Musikempfehlungen mit den chilligsten Vibes und einfach eine ultra herzliche Begrüßung. Für diese warmen Begegnungen mit Freude, Neugier, Interesse und ganz viel Herz. Für die reise ich.


 
 
 

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